Vom Kontrollmodus in den Klangmodus
- Nils Caspar

- vor 4 Tagen
- 5 Min. Lesezeit
Beim Recherchieren zu Lern- und Übungsprozessen bin ich gestern auf YouTube-Videos zur Arbeit der Forscherin Gabriele Wulf zum Thema „Attentional Focus" gestoßen. Ihre Ergebnisse decken sich in bemerkenswerter Weise mit meiner eigenen künstlerischen Lehrhaltung und der Konzeption meines Handpan-Unterrichts.
Ich habe diesen Beitrag verfasst damit jede und jeder die Möglichkeit erhält, die Macht des bewusst gesetzten Fokus kennen zu lernen und das periphere Wahrnehmen zu verstehen. Und dann auf dieser Grundlage zu hören, zu üben und zu spielen.
Herzlichen Gruß
Nils
Warum dein Fokus beim Handpan-Spiel alles entscheidet.
Die meisten Handpan-Spieler – egal ob Anfänger oder Profi – machen denselben Fehler: Sie richten ihre Aufmerksamkeit nach innen, auf körperliche Ebene, dorthin, wo Kontrolle, Zweifel und Mikromanagement sitzen.
„Ist meine Handhaltung richtig?“
„Treffe ich das Tonfeld sauber?“
„Klingt das professionell genug?“
"Ist der Spannungsbogen eingängig?"
"Hat das überhaupt einen Wert?"
Der Fokus klebt an Fingern, Bewegungen, Gedanken an Pattern – und genau das blockiert den eigentlichen Lern- und Spielprozess.
Der entscheidende Schritt ist radikal einfach und tiefgreifend: Du verlagerst deinen Fokus weg von deinem Körper und deinen Gedanken – hin zum Klang.
Dieser Aufmerksamkeitsshift verändert alles.

Was passiert, wenn du auf den Klang fokussierst?
Wenn du deine Aufmerksamkeit konsequent auf das Klanggeschehen richtest, passiert auf mehreren Ebenen gleichzeitig etwas Grundsätzliches:
Die mentale Kontrolle tritt zurück
Die mentale Ebene, die vorher den gesamten Übungsvorgang kontrolliert hat, verabschiedet sich in die Stille des „Nichts“.
Der kommentierende Anteil wird leiser.
Dein System kommt aus dem Reagieren ins Wahrnehmen.
In diesem Moment bekommt deine körpereigene Intelligenz Raum.
Bewegungen beginnen, sich von selbst zu organisieren. Mikroanpassungen in Tempo, Dynamik und Präzision passieren, ohne dass du sie denken musst. Dein Nervensystem übernimmt – so, wie es von Natur aus dafür gemacht ist.
Dein Ich-Gefühl verschiebt sich: vom Zentrum in die Peripherie
Solange du im Kontrollmodus bist, erlebst du dich als zentriertes Ich:
„Ich“ spiele.
„Ich“ muss richtig treffen.
„Ich“ muss abliefern.
Wenn du in den Klang fokussierst, beginnt dein Ich-Gefühl zu wandern – vom Zentrum in die Peripherie.
Du wirst weniger „der Macher“ und mehr ein Beobachter im erweiterten Feld:
Du hörst das gesamte Klanggebilde.
Du bist Teil des Geschehens, aber nicht mehr sein Gefangener.
Du spürst dich nicht als Knotenpunkt der Kontrolle, sondern als Teil eines größeren Bewegungsraums.
Dieses periphere Ich-Gefühl ist vergleichbar mit einem erweiterten Bewusstseinszustand:
Du bist klar, wach und präsent – aber nicht verkrampft auf dich selbst fixiert.
Impulse aus tieferen seelischen Schichten werden zugänglich
Die Impulse, die wir uns alle für unsere Musik wünschen – Tiefe, Wahrhaftigkeit, echte Emotionalität – kommen nicht aus dem engen Kontroll-Ich. Sie kommen aus genau diesem peripheren, erweiterten Zustand.
Dort beginnt Musik, sich vom „wahren“ innen her zu formen:
Du spürst, wann ein Motiv bleiben darf.
Du fühlst, wann es Zeit ist, etwas zu verändern.
Du merkst, wann Stille mächtiger ist als der nächste Schlag.
Wir lassen sozusagen den kleinen, nervtötenden Teil in uns – den ängstlichen, unruhigen, alles kontrollieren wollenden Anteil – hinter uns und vertrauen unseren Körper der Seele an.
Studien aus der Sport- und Bewegungswissenschaft, insbesondere von Prof. Gabriele Wulf, zeigen deutlich:
Ein interner Fokus (z. B. auf Finger, Technik, Körperdetails) macht Bewegungen angespannter, fehleranfälliger und verlangsamt den Lernprozess.
Ein externer Fokus (z. B. auf Klang, Wirkung im Raum, musikalisches Ergebnis) führt zu präziserer Koordination, höherer Effizienz und nachhaltigerem Lernen.
Genau diesen Wechsel – vom inneren Kontrollmodus zum klanggeführten Modus – übertragen wir in meinem Seminar „Vom Kontrollmodus in den Klangmodus“ am 25.1.26 konsequent auf das Handpan-Spiel.

Was bedeutet das konkret für Anfänger, Fortgeschrittene und Profis?
Wichtig: Diese Ebenen sind nicht strikt nacheinander. Sie überlagern sich.
Aber je weiter dein Weg geht, desto bewusster und tiefgreifender werden sie.
1. Anfänger: Geschichten erzählen trotz wenig Technik
Viele Anfänger glauben: „Ich kann noch nichts, also kann ich auch nichts ausdrücken.“ Das ist schlicht falsch.
Wenn du als Anfänger lernst, deinen Fokus auf den Klang zu richten, anstatt auf die Handhabung deiner Technik, passiert etwas Spannendes:
Du beginnst bewusst Verläufe zu erschaffen
– leise beginnen, lauter werden, wieder zurückkehren.
Du spielst intuitiv mit Dynamik
– stark/sanft, dicht/luftig, viel/wenig.
Du zeigst Präsenz, obwohl deine Technik begrenzt ist
– weil du im Moment bist, statt in deinem Kopf.
Magie entsteht durch den Eintritt in deinen Flowzustand
– Spielimpulse können aus überbewussten Ebenen zu dir fließen
Mit minimalen technischen Mitteln kannst du so schon tiefgehende Geschichten erzählen. Nicht, weil du „viel kannst“, sondern weil du wirklich zuhörst – dir selbst und dem, was aus der Handpan entsteht. Du kannst also eigentlich doch viel.
2. Fortgeschrittene: Komplexe Strukturen wahrnehmen, verstehen und bauen
Als Fortgeschrittene/r stößt du oft an eine unsichtbare Mauer: Du kannst viel, aber es „clickt“ noch nicht auf einer tieferen Ebene.
Mit Klangfokus und peripherem Ich-Gefühl verschiebt sich dein Lernen:
Du beginnst komplexe Muster als Ganzes wahrzunehmen, statt als einzelne Pattern.
Du verstehst intuitiv, wie sich Strukturen aufbauen und auflösen – rhythmisch, melodisch, harmonisch.
Du kannst gezielt architektonisch denken:
„Was passiert, wenn ich dieses Motiv versetze?“
„Wie verändert sich die Wirkung, wenn ich nur die Dynamik ändere?“
Dein Nervensystem kann gleichzeitig mehr Information halten, weil du nicht mehr mit 80 % deiner Kapazität damit beschäftigt bist, dich selbst zu überwachen.Die Folge: Du lernst schneller, spielst freier und kannst komplexere Musik tragen, ohne innerlich zu verkrampfen.
3. Profis: Die Semantik der musikalischen Sprache entschlüsseln
Auf der professionellen Ebene geht es nicht mehr darum, ob du technisch spielen kannst.Die Frage wird: Was sagst du eigentlich?
Im peripheren Ich-Gefühl und im erweiterten Klangfokus wirst du empfänglich für die Semantik der Musik – ihre Bedeutungsebene.
Du spürst, was eine bestimmte Wendung „sagt“.
Du verstehst, warum eine bestimmte Struktur in dir oder im Publikum genau diese Emotion auslöst.
Du lernst, ganz bewusst mit diesen Bedeutungen zu arbeiten:
Spannung aufbauen und nicht sofort auflösen.
Erwartungen bedienen – oder bewusst brechen.
Motive wie Worte einsetzen, Phrasen wie Sätze, ganze Bögen wie Kapitel.
In andere Welten führen, durch tiefe Einsicht in deine seelischen Bewegungen und deren Umsetzungsmöglichkeiten
Das ist der Punkt, an dem dein Spiel einen totalen Durchbruch im Sinnempfinden machen kann: Nicht mehr „nur“ schöne Musik, sondern bedeutungsvolle Musik. Es entsteht große Tiefe in deinen Kompositionen und Improvisationen, weil Klang, Bewusstsein und Intention sich decken.
Alle Ebenen wirken gleichzeitig
Auch wenn wir hier zwischen Anfänger, Fortgeschrittenem und Profi unterscheiden – diese Ebenen laufen immer gleichzeitig:
Schon als Anfänger beginnst du unbewusst, die Semantik von Musik zu spüren.
Als Fortgeschrittener nutzt du sie gezielter, auch wenn du sie vielleicht noch nicht so nennen würdest.
Als Profi rückst du sie bewusst in den Vordergrund und gestaltest damit deine gesamte musikalische Sprache.
Der gemeinsame Schlüssel auf allen Stufen ist derselbe:
Richte deinen Fokus auf den Klang – nicht auf deine Angst, nicht auf deine Finger, nicht auf deinen Leistungsanspruch.
Damit tritt der Kontrollmodus zurück, dein Bewusstsein weitet sich, dein Körper kann intelligent reagieren, und deine Seele bekommt endlich Raum, sich durch dein Spiel auszudrücken.

Zum Abschluss noch ein Hinweis in eigener Sache:
Wenn du dieses Prinzip nicht nur verstehen, sondern praktisch erfahren und in dein Spiel integrieren möchtest, lade ich dich zu meinem Seminar „Vom Kontrollmodus zum Klangmodus“ ein.
Termin: Sonntag 25. Januar 2026, 10:00–15:00 Uhr
In diesem Workshop widmen wir uns genau diesem Aufmerksamkeitswechsel – weg von Körperkontrolle und Gedankenkreisen, hin zu Klangfokus, peripherem Ich-Gefühl und einem erweiterten Beobachterzustand. Du erhältst konkrete Übungen, Feedback und einen klaren Rahmen, um diese Art des Spielens nachhaltig in deine eigene Praxis zu übernehmen.
Bei Interesse kannst du dich direkt Hier anmelden oder weitere Informationen anfordern.
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